Donnerstag, 6. November 2014

Verlust von Humor

Seltsam - aber seit ich Veganerin bin, muss ich mich immer wieder der Herausforderung von Vorurteilen oder dummen Sprüchen zum Thema Vegetarier oder Veganismus stellen. Entweder stoße ich mit einer winzigen Bemerkung nun vegan zu essen im Bekanntenkreis eine regelrechte Diskussion auf meinem Facebook Profil an, wo plötzlich Menschen sich gegenseitig herunter machen, weil sie entweder Fleisch essen verteidigen oder Gemüse und Obst essen.

Es scheint als sprießen die ANTI-Vegan-Kampagnen aus allen dunklen Ecken. Unter You Tube Videos von Veganern werden äußerst unintelligente, beleidigende und diskriminierende Sprüche gepostet. "Darauf brate ich mir jetzt erstmal ein lecker Steak!" oder "Du Veganer siehst aber kacke aus" bis hin zu "Ihr esst meinem Futter das Essen weg". Überhaupt scheint das sinnlose und nicht wirklich geisterhellende Posten von Sprüchen auf Internetforen ein beliebtes und für mich wirklich ermüdendes Hobby geworden zu sein. Jeder meint dadurch auf eine besonders moderne Art seine Statements in die Welt hinausposaunen zu können, um möglichst originell, witzig oder cool zu wirken. Doch in Wahrheit macht man sich besonders mit so manch stumpfsinnigen Statements mehr lächerlich.

Für Menschen mit eigenem Charakter, Geist und einer Portion Intelligenz bedarf es keiner vorgefertigten Floskeln zu Themen. Viele haben nicht das Bedürfnis sich mit solchen Statements oder Bildern Anerkennung oder sonstiges zu verschaffen, denn sie haben auch "eigene" Meinungen und vorallem sind sie so mit sich im Reinen, dass sie so etwas nicht benötigen. Entschuldigung für meine harten Worte, aber gerade wenn ich in letzter Zeit Sprüche, Bilder, Karikaturen, Comics, Satire oder sonstige Floskeln zu dem Thema Veganismus oder Vegetariern gelesen habe, wurde mir regelrecht schlecht. Und ja, ganz Recht, ich scheine bei diesem Thema langsam aber sicher meinen Sinn für Humor zu verlieren!

Ich war schon als junges Mädchen immer sehr kämpferisch und wenn meine Mutter mich etwas gelehrt hat, dann das Ungerechtigkeiten einfach nicht akzeptabel sind. Ich habe mir in den letzten Monaten eine ganze Menge an Wissen angeeignet und viel zum Thema Produktion von Lebensmitteln gelesen und gesehen. Der gesamte Bereich über die Massentierhaltung hat mich mehrfach geschockt, überwältigt, zum Weinen gebracht, sprachlos und fassungslos, sowie schuldbewusst und wütend gemacht. Ich habe die Massentierhaltung wie so viele Menschen einfach ignoriert und ausgeblendet. Ich habe systematisch dumm und naiv weggesehen und wollte vieles gar nicht genau wissen. Ich habe tierische Produkte verschwenderisch und unachtsam konsumiert und dafür schäme ich mich heute sehr. Das ist eine Last mit der ich jeden Tag etwas mehr umgehen muss. Aber ich bin erwacht und ich blicke nie wieder zur anderen Seite oder weg. Und egal wie schlimm der Anblick sein mag, stelle ich mich dieser tagtäglichen Realität.

Doch meine Wut mindert diese Machtlosigkeit nicht wirklich. Ich weiß, dass ich keine Menschen bekehren kann oder das schlimme Nahrungsmittelsystem von heute auf morgen ändern kann. Ich rette keines dieser armen Tiere, die jeden Tag in Dunkelheit und voller Qualen leiden, um menschliche Bedürfnisse weiterhin zu befriedigen. Aber ich habe wenigstens angefangen zu selektieren. In einem Zeitalter, wo jeder meint im Internet unter dem Deckmantel von Anonymität oder auch aufgrund schlichter Unwissenheit und Blindheit über reale Vorgänge falsche Urteile zu fällen, wird es Zeit zu differenzieren. Da Kommunikation in diesen Fälle meistens sinnlos ist, weil man sich alleine von Wissensstand her nicht auf einer Ebene befindet, ist häufig ein friedvolles Miteinander schwer möglich.

Ich kann damit leben, dass man Veganer als "Spinner" deklariert oder Veganismus abwertet als eine alberne "Modeerscheinung". Denn wenn man mich persönlich angreift, finden sich immer Wege mit Ruhe und Gelassenheit zu reagieren. Vorurteile abzubauen durch sachliche Argumentationen. Doch wenn der heutige Humor bedeutet sich über Schweine auszulassen, die anders als Salate weglaufen könnten, bin ich erneut sprachlos. Diese Tiere können nicht einfach "weglaufen", denn sie werden jeden Tag in Massen gequält und getötet. Und niemand der konsumiert scheint dafür auch nur eine Sekunde die Verantwortung tragen zu wollen. Diese Tiere können sich nicht wehren. Sie können nicht für ihr Leben einstehen oder sich verbal verteidigen. Und da stellt sich die Frage, ob man nicht wenigstens als Veganer für sie einstehen sollte. In diesem Bereich kann und sollte kein Humor existieren. Denn was dort geschieht ist einfach nicht witzig und es ist nicht zu belächeln.

So stehe ich moralisch absolut in einer Zwickmühle. Ich kann mich in Verständnis üben, wenn unwissende Menschen an dem Konsum tierischer Produkte festhalten. Wenn sie einfach noch nicht im Bilde sind über das Geschehen und die Produktion. Wenn sie ihr gewohntes Essverhalten vehement verteidigen weil sie altbewährtes als etwas Gutes für sich ansehen. Aber ich weigere mich einfach über unüberlegte, moralisch verwerfliche, unintelligente Witze, Sprüche, Bilder zu diesem Thema zu lachen, weil ich es einfach nicht mehr kann und möchte. Unter dem Deckmantel Humor oder Satire kann sich heute viel Mehr verbergen - Aggressionen, Vorurteile, Wut, Hass, Unwissenheit, Angriff usw. Und ich denke auch, dass man unter dem Deckmantel von Humor, Spaß oder Satire nicht alle Aussagen als harmlos entschuldigen sollte.

Wie kann es sein, dass man gesellschaftlich manche Witze zu Randgruppen z.B. nicht mehr akzeptiert, aber Witze auf Kosten von Massentieren in Ordnung sind? Wer definiert Floskeln, Bilder oder Sätze als Scherze oder Humor? Und ist Humor nicht eine ganz persönliche Sache? Versteht nicht jeder auf andere Art Humor? Und sollte man gerade bei Humor nicht feinfühliger sein, bevor man ihn öffentlich kund tut? Wenn man zu "seinem" Humor steht und mit gutem Gewissen diese für mich geschmacklose Art von Humor verbreitet, dann muss man auch mit den Konsequenzen umgehen. Ich habe beschlossen, dass ich Freunde und Bekanntschaften wohl überlegt selektieren sollte. Denn sie gehören zu dem mir liebsten und wohlgesonnensten Kreis. Und es ist wichtig, sich mit Menschen zu umgeben, die einem gut tun. In meinem Falle als Veganerin gehören dazu besonders Menschen, die offen bleiben, auch andere akzeptieren, wenn sie anders leben (Akzeptanz und Respekt füreinander) und auch mit einem gewissen Feingefühl beim Humor.

Man kann über wirklich viele schöne Dinge herzhaft miteinander lachen und ja auch ich muss mich öffnen und lockerer werden, gerade beim Thema Humor bezüglich Veganismus. Nur werde ich so lange ich atme dafür kämpfen, dass Witze auf Kosten einer Randgruppe oder der Massentierhaltung nicht wirklich lustig sind. Und ich setze ein Zeichen, wenn ich solche Menschen nicht an mich heran lasse. Unwissenheit ist am Ende nicht immer eine Ausrede, denn manchmal wird es doch Zeit Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen - egal wie dies genau aussehen mag.
Vielleicht mag das übertrieben wirken oder befremdlich für den Ein oder Anderen, doch bitte informiert Euch und seht all diese Videos und Filme, die ich gesehen habe. Wenn ihr es dann noch nicht versteht, okay. Vielleicht ist diese Schuld, die mir über mein früheres Verhalten selber bewusst geworden ist, nun Teil meines Kampfes dagegen.

Im Grunde will ich anderen Menschen nichts und jeder sollte leben, wie er es für Richtig hält. Nur geht diese Rechnung nicht auf, mit all diesen tragischen Tieren, die einfach Tag für Tag unter grausamen Bedingungen leben und unter noch schlimmeren Sterben müssen. Auch wenn wir an der Spitze der Nahrungskette stehen, tragen wir doch gerade dann eine gewisse Verantwortung. Lebewesen gegenüber die schwächer sind als wir und auch der gesamten Erde gegenüber, denn auf dieser leben wir nun einmal nur so lange, bis wir sie zerstören. Vorurteile gegen mich sind mir egal, denn niemand lebt mein Leben und dafür ist jeder selber verantwortlich. Doch ich finde es schäbig unter dem Deckmantel Humor Stellung gegen Vegetarier oder Veganer zu beziehen, nur weil sie etwas bewegen wollen oder ablehnen. Und noch schlimmer, wenn das Töten von Tieren als Spaß abgetan wird. Wenn man ihr Fleisch schon isst, dann sollte man diesen Tieren doch wenigstens etwas mehr Anstand entgegenbringen, als so etwas dummes wie unintelligenten Humor.

Peace!


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