Seit ich Veganerin bin, beschäftige ich mich viel intensiver mit Lebensmitteln und Produkten, als ich es noch als Omnivore (Allesesserin) tat. Und ich muss zunehmend darüber nachdenken, wieso ich nicht längst diesen Schritt gemacht habe, meine Ernährungsweise zu ändern.
Am Ende blicke ich dann in eine düstere Vergangenheit zurück, denn ich war wie viele Menschen doch einer gewissen "Nahrungs-Erziehung" unterworfen. Angefangen bei meinen Eltern, die mir im Grunde nie vorgelebt haben zu hinterfragen, ob das, was ich gerade esse wirklich gut für mich ist. Zwar hat meine Mutter immer Wert auf qualitativ hochwertige Produkte oder sagen wir eher Marken wie Landliebe gesetzt, aber Kuhmilch selber einmal zur Diskussion zu stellen, gab es im Grunde nie.
Mir wurde beigebracht immer gut und vielseitig zu essen, alles auch einmal zu testen und zu probieren, bevor ich es als eckelig abwiege. "Man muss alles mal probieren!" hat meine Mutter so gerne gesagt. Zum Teil gebe ich ihr da auch heute noch Recht, denn es hat mir auch geholfen, mich neuen veganen Lebensmitteln zu öffnen. Und um Himmels Willen möchte ich hiermit auch nicht sagen, dass meine Eltern alles daran gesetzt haben, dass es uns Kindern gut ging oder wir leckeres tolles zu Essen im Hause hatten. Nur rückblickend ärgert es mich manchmal, dass ich selber nicht früher hinterfragt habe. Vielleicht hätte ich sogar einiges innerhalb meiner Familie bewegen können oder vielleicht hätte ich nicht so unsagbar früh einen Bruder an einem Gehirntumor oder eine Schwester an Magenkrebs verloren. Oder meine Eltern, die seit Jahren an Diabetes Melitus leiden, hätten ihren Blutzuckerspiegel über die Art der Ernährungsweise vielleicht deutlich besser in den Griff bekommen als mit dem Spritzen von Insulin.
Doch es ist im Grunde müselig die Vergangenheit zu bedauern, denn wichtig ist, dass ich für mich einiges dazu gelernt habe. Und wenn es nur die simple Tatsache ist, ein Produkt oder ein Lebensmittel einmal genauer zu betrachten und die Inhaltsstoffe oder die Herkunft zu hinterfragen. Warum sind an meinen Chips Fleischgewürze dran? Wieso soviel Salz, Zucker? Wofür stehen die ganzen E auf der Verpackung? Was ist Glutamat und warum wird alles mit Hefeextrakten schmackhafter gemacht? Welche Nährstoffe benötigt ein Körper überhaupt und ist es tatsächlich so, dass ich manche Nährstoffe nur über tierische Produkte bekommen kann? Was ist Milch und wie wird sie hergestellt? Was ist Colesterin und wieso soll man weniger Eier essen?
Jeder Mensch wird in einer gewissen Umgebung groß. Von klein auf bekommen wir auch beim Essen einiges mit anerzogen. Wir glauben, dass das, was es zu Hause gibt, einfach am Besten und am Leckersten ist. Frei nach dem Motto "Bei Muttern schmeckt es am Besten". Wir lernen zu festen Zeiten zu essen oder dass es unartig ist seinen Teller nicht aufzuessen. Wir essen, auch wenn man keinen Hunger hat. Wir essen aus Frust und Langeweile. Aus Geselligkeit oder weil ein Filmabend mit Freunden ohne Chips und Bier undenkbar wäre. Wir glauben, was die Werbung uns glauben machen möchte. Blind und ohne zu Hinterfragen. Wir vertrauen auf "Expertenrunden" im Fernsehen, auf unseriöse Dokumentationen, die nicht alle Aspekte eines Themas beleuchten und manchmal gerne mit dem Hype spielen, um die Zuschauerzahlen zu erhöhen.
Die Marketingexperten, Food-Designer und Lobbyisten der Lebensmittelindustrie, ja selbst die Pharmaindustrie lenken uns bewusst in eine gewisse Richtung. Eine Richtung, in der wir auch schädliche Nahrungsmittel mit Genuß, Lebensgefühl, Gesundheit und Lifestyle verbinden. Denn mal ehrlich, wer möchte mit seinem saftigen Steak eine gequältes geschlachtetes Tier verbinden? Oder wer möchte nicht daran glauben, dass Milch der Calcium-Lieferant Nummer Eins ist, gut für die Knochen? Keiner mag wissen, dass Milch den Säurehaushalt des Körper aus dem Gleichgewicht bringt und die Knochen daher Calium abbauen. Dass man Muttermilch anderer Tiere trinkt, die unser Körper mit zunehmendem Alter kaum verarbeitet bekommt im Körper. Keiner will hören, dass Käse fettig ist. Vielmehr ist er ein Hochgenuß bei einer guten Flasche Rotwein. Gerne stempelt man Veganer als seltsame Hippies, Spinner, Homöopathische Fanatiker ab, weil sie schlichtweg Alternativen zu Chemie, künstlichen Farbstoffen, Aromen etc. suchen. Es wäre ja für die gesamte Lebensmittel- und Pharmaindustrie oder die Marktwirtschaft im Allgemeinen fatal, wenn alle gesünder und weniger krank wären. Wenn der Konsum ungesunder Produkte sinkt.
In einer Zeit wo Menschen im Dauerstress sind, weil sie arbeiten wie verrückt und keine Zeit mehr aufbringen können zu hinterfragen, wird schlichtweg einfach konsumiert. Man greift einfach ins Regal nach Kriterien wie Marken, optische Reize, gutes und güstiges Schnäppchen-Angebot oder einer ansprechenden Verpackung. Wir lesen klangvolle Slogans wie "natürliche Aromen" "aus frischem Anbau" "schonend gegart" und greifen dann gerne zu. Aber wer dreht schon einmal die Verpackung um und wirft einen Blick auf die Zutatenliste? Ich selber tat es nie. Ich habe immer weggesehen, blind vertraut. Schmeckt gut bedeutet nur nicht, dass es auch wirklich gut tut.
Schaut man sich um, sieht man immer mehr übergewichtige Menschen. Grimmige Gesichter, gereizte unfreundliche Leute ohne einen Funken innerlicher Ausgeglichenheit im Gesicht. Viele leiden an Diabetes, Osteoporose, Herz-Kreislauferkrankungen, Fettlebern, hohem Blutdruck, ADHS, Krebs usw. Nur keiner verschwendet einen winzigen Gedanken, ob es mit der Ernährungsweise zu tun haben kann. Die Kinder werden immer größer, weil in vielen Lebensmitteln versteckte Hormone drin sind. Selbst Gemüse und Obst werden mit Pestiziden behandelt. Über das Fleisch nehmen wir Antibiotika auf, die verfüttert werden, um in der Massentierhaltung Krankheiten zu vermeiden. Und dann wundern wir uns, wieso all die Medikamente beim Arzt zunehmend weniger anschlagen.
Wie gerne hört man als Veganer den Satz "Ich könnte nie auf Fleisch, Milch, Eier oder Käse verzichten!". Ja, der Veganer verzichtet darauf ganz bewusst. Nicht weil es ihm nicht geschmeckt hat, sondern er hat für sich entschieden, dass sie nicht mehr zu seinem Speiseplan gehören. Sie stellen für ihn keine wirklichen Lebensmittel mehr dar. Insofern ist dieser bewusste Verzicht freiwilliger Natur und lange nicht so negativ behaftet, wie es wirken mag. Niemand isst schließlich gerne etwas, was er für nicht besonders gut erkannt hat. Ich denke auch nicht, dass Veganer den Sinn nach Genuß oder Lebensfreude verloren haben, weil sie kein Fleisch mehr essen. Sie genießen genauso, nur anders als es viele Allesesser vielleicht sich vorstellen können.
Und das kann ich auch verstehen, denn ich war lange ganz ganz genauso. Ich hätte nie im Leben gedacht, dass ich meine Geschmackssinne verändern kann, doch es ging. Selbst Zartbitterschokolade, die ich als Kind lange verachtet habe, ist nun absolut lecker. Wenn man einmal inne hält, sich einließt, hinterfragt oder auch nur mal die Werbung kritisch betrachtet, stellt man fest wie unachtsam man mit sich und allem war. Besonders mit sich selber und dem eigenen Körper ist man nicht behutsam genug umgegangen. Und schließlich soll dieser uns eine lange Zeit erhalten bleiben. Ist es da nicht schade, nicht mal etwas mehr Zeit für sich selber aufzuwenden? Man hat doch am Ende immer eine Wahl, und diese muss jeder für sich ganz alleine treffen. Wie will man leben und was tut mir gut? Wofür stehe ich ein und was kann ich im Spiegel vertreten? Was glaube ich und was hinterfrage ich?
Und ich bin auch der Meinung, dass man Veganismus gründlich hinterfragen und prüfen sollte, bevor man sich dafür entscheidet. Es ist nie gut einem Trend zu folgen und es ist unheimlich wichtig in jeder Ernährungsweise zu prüfen, ob das zu einem passt. Sonst rennt man wieder umher und probiert Low Carb, Trennkost, Kohlsuppen-Diäten, Leberreinigungs-Diäten, Weight Watchers oder so etwas wie Atkins aus. Und am Ende wird man wieder enttäuscht.
Selbst meine liebe Oma hat mir ihre kuschelig warmen Daunendecken als Kind immer als etwas ganz besonders Tolles verkauft. Wenn ich bei ihr übernachtet habe und mich in die Decke gemummelt habe, habe ich doch nie im Leben daran gedacht, dass Tiere diese Federn vielleicht bei Bewusstsein ausgerissen worden sind. Viel zu romantisch und schön ist diese Kindheitserinnerung. Oder dass ihr Festtagsbraten früher so Besonders war. Meine Geschwister haben sich um die tolle Sauce der Weihnachtsgans bald geprügelt. All sowas verbindet man natürlich aus Gewohnheit mit etwas Gutem. So etwas plötzlich neu zu betrachten, kann weh tun oder manchmal Angst machen. Umdenken könnte einem das Leben vielleicht vermiesen. Letztlich liebte ich meine Oma genauso, wie sie nun einmal war. Und ich denke auch gut an diese Momente zurück. Ich wollte damit nur verdeutlichen, welche Erziehungen und Erlebnisse uns nachhaltig geprägt haben. Und warum es schwer ist, diese abzulegen.
Leben ist etwas so Bedeutsames. Und ich habe schon viele liebe und wichtige Menschen zu Früh verloren, um zu wissen, wie kostbar jeder Moment sein kann. Man lebt nur dieses eine Mal und niemand anderes gestaltet dieses eigene Leben außer man Selber. Das kann einem Niemand abnehmen und man trägt immer für sich und sein Handeln die Verantwortung. Darum gilt es nach Vorne zu blicken und nicht Zurück. Es ist nie zu spät sei Leben zu verändern, egal wie alt man sein mag. Es ist einfach wichtig den Mut aufzubringen und es zu tun. Auch wenn man vielleicht nicht den Vorstellungen der breiten Masse entsprechen mag, so ist man doch ein Mensch. Und wenn man mit sich im Einklang ist, wird man es auch immer gut vertreten können. Selbstbewusst und ohne Scham.
Dies ist natürlich nur meine Meinung. Aber ich hoffe, wenn man dies hier liest, geht man das nächste Mal ein wenig offener und wachsamer in den Supermarkt. Oder man macht mal den Fernseher aus und geht spazieren. Oder man setzt sich einfach mal hin und prüft sich selber und sein Wissen zu dem Thema Ernährung. Was weiß man wirklich?
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen